Sie war eine zierliche Apachin, eine bedeutende Aktivistin der amerikanischen Ureinwohner und eine junge Schauspielerin. Littlefeather trug mit Perlen bestickte Mokassins, Türkisschmuck und ein helles, reich verziertes Wildlederkleid, als sie im März 1973 auf der internationalen Bühne auftrat. An Marlon Brandos Stelle lehnte sie den Oskar ab, den er als bester Schauspieler im Film „Der Pate“ bekommen sollte.
Wie es dazu kam?
In den frühen 1970-er Jahren war Littlefeather Direktorin des öffentlichen Dienstes eines Radiosenders in San Franzisco und gleichzeitig leitete sie ein lokales Affirmative Action Commitee für Indianer. Als sie hörte, dass sich Marlon Brando für die Rechte der amerikanischen Ureinwohner eingesetzt hatte, schrieb sie ihm einen Brief. „Ich wollte wissen, ob er echt ist.“ Monate später telefonierten sie miteinander und freundeten sich an.
Am Tag vor der Oskar-Verleihung rief Brando Littlefeather an und fragte, ob sie als seine Vertreterin an der Veranstaltung teilnehmen würde. „Ich war einfach platt und hatte keine Ahnung, was mich erwarten würde.“
Am Abend vor der Zeremonie wartete Littlefeather darauf, dass Brando seine acht-seitige Rede fertig getippt hatte, die sie in seinem Namen vorlesen sollte. Sie traf nur wenige Minuten vor dem Festakt ein und ihr wurde gesagt, falls Brando den Preis als bester Schauspieler erhalten sollte, hätte sie nur 60 Sekunden Zeit zu sprechen. – Sie wusste, sie würde die Worte von Brando nicht vorlesen können und müsste improvisieren. „Natürlich raste mein Herz. Und dann haben sie seinen Namen gerufen. Also atmete ich ein paar Mal tief durch und sprach ein Gebet. Und ich ging die Treppe hinauf und versuchte, nicht über meine Wildlederfransen zu fallen, und so anmutig wie möglich zu sein. Und ich betete, dass meine Vorfahren bei mir sein würden.“
Littlefeather hielt ihre historisch knappe Rede und begründete Brandos Verzicht auf den Oskar damit, dass Indianer in der Filmindustrie unwürdig behandelt werden. Sie wies auch auf die Besetzung von Wounded Knee in South Dakota hin, die einige Wochen vorher durch indianische Aktivisten begonnen hatte. „Brando bat mich zu sagen, dass er diese großzügige Auszeichnung wegen des Umgangs der Unterhaltungsindustrie mit den indianischen Ureinwohnern leider nicht annehmen kann.“ Sie schloss mit den Worten: „Ich bitte zu diesem Zeitpunkt, dass ich diesen Abend nicht gestört habe und dass sich unsere Herzen und unser Verständnis in Zukunft mit Liebe und Großzügigkeit begegnen werden.“
Während sie sprach, ertönte anerkennendes Klatschen, aber auch Buhrufe. Menschen stießen Kriegsschreie aus und störten auf vielerlei Art. Ein Produzent drohte mit Verhaftung, wenn sie länger als 60 Sekunden auf dem Podium verbringe. John Wayne, der legendäre Westernheld musste von Sicherheitskräften körperlich daran gehindert werden, die Bühne zu stürmen, als Littlefeather ihre Rede hielt.
Nichts als die Wahrheit
Ihr mutiger Auftritt führte dazu, dass sie keinen Job mehr in Hollywood fand. „Ich wusste, dass ich die Wahrheit sagen musste. Manche Leute mögen sie akzeptieren, manche nicht.“ Später studierte sie ganzheitliche Gesundheit und Ernährung. Sie arbeitete in indianischen Gemeinschaften in den USA und im AIDS-Hospiz von Mutter Theresa in San Franzisko.
Erst 50 Jahre nach ihrem Protest entschuldigte sich die Academy of Motion Picture Arts and Science offiziell bei Littlefeather. Der ehemalige Präsident der Akademie, David Rubin schrieb in einer formellen „Versöhnungserklärung“: „Der Missbrauch, den Sie erlitten haben… war ungerechtfertigt. Die emotionale Belastung, die Sie durchlebt haben, und die Kosten für Ihre eigene Karriere in unserer Branche sind irreparabel. Zu lange wurde der Mut, den Sie gezeigt haben, nicht anerkannt. Dafür sprechen wir sowohl unsere tiefste Entschuldigung als auch unsere aufrichtige Bewunderung aus.“
In einem Interview äußerte sich Littlefeather folgendermaßen dazu: „Was die Entschuldigung der Akademie an mich betrifft: Wir Indianer sind sehr geduldige Menschen – es sind erst 50 Jahre vergangen! Wir müssen dabei immer unseren Humor bewahren. Er ist unsere Überlebensmethode.“ Die Versöhnung mit der Akademie ist für sie „ein wahr gewordener Traum. Es ist ermutigend zu sehen, wieviel sich verändert hat, seit ich den Oskar vor 50 Jahren nicht angenommen habe.“
Resümee
Am 2. Oktober 2022 starb Littlefeather im Alter von 75 Jahren. „Wenn ich tot bin, denkt immer daran, dass, wann immer ihr für eure Wahrheit einsteht, ihr meine Stimme und die Stimmen unserer Nationen und unserer Völker am Leben erhaltet.“
„Wenn wir sterben, wissen wir, dass unsere Vorfahren kommen, um uns zu holen. Wir wissen, dass wir in diese Geisterwelt gehen, aus der wir gekommen sind. Wir nehmen dies als Krieger mit Stolz und fühlen uns nicht besiegt. Wir freuen uns darauf, uns unseren Vorfahren anzuschließen, die bei unserem letzten Atemzug bei uns sein werden und uns in dieser Welt auf der anderen Seite willkommen heißen und eine große Feier für uns veranstalten werden.“
Bildquellen
- Sacheen Littlefeather: asundermeier